Du weißt, dass das polnisch-amerikanische Bündnis wertlos ist. Es ist sogar schädlich, da es Polen das falsche Gefühl von Sicherheit gibt. Wir bekommen Probleme mit Deutschland, mit Russland, und wir sind der Meinung, dass alles super ist, nur weil wir den Amerikanern einen geblasen haben. Das ist absolut naiv.
Radoslaw Sikorski, 2014 als polnischer Außenminister
Unsere Themen. Unsere Interessen
Wir richten uns an Leser, die sich einem Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO wünschen. Wir teilen nämlich diesen Wunsch. Deshalb wissen wir, dass es nicht leicht ist, diesen Standpunkt in Diskussionen oder gar in der öffentlichen Debatte zu vertreten. Der Kampf der Argumente endet fast immer mit der Niederlage des NATO-Kritikers. Dies wollen wir ändern.
Pragmatismus schlägt Idealismus
Dass NATO-Kritiker in Debatten schlechter abschneiden als Transatlantiker, hat mehrere Gründe: NATO-Kritiker argumentieren ausschließlich moralisch. Transatlantiker halten mit Zahlen und Fakten dagegen, und in dieser Hinsicht sind NATO-Kritiker eindeutig schwächer aufgestellt. Deshalb triumphiert am Ende stets der Pragmatismus über den Idealismus.
Die schlagkräftigste These der Transatlantiker lautet: Nicht einmal ein reiches Land wie Deutschland ist in der Lage, seine Verteidigung selbstständig zu organisieren, höchstens dann, wenn es seinen Verteidigungshaushalt verdoppelt oder verdreifacht und dafür die Steuern drastisch erhöht. Das wirkt:
Weil niemand höhere Steuern zahlen will, ist die Idee des NATO-Austritts augenblicklich vom Tisch. Dieser Trick funktioniert immer, weil niemand diese steile These mit Zahlen widerlegen kann. Es ist aber nur ein Trick. Man muss nur die nötigen Zahlen kennen. Wir liefern sie in allen Teilen dieser Seite.
Unsere Thesen dazu:
- Um aus der NATO auszutreten, braucht die Bundeswehr nur 8.000 zusätzliche Soldaten, insgesamt 193.000 (statt heutiger 185.000), nicht aber 203.000, wie es seit 2017 gefordert wird, und erst recht nicht 230.000 oder 260.000 ab 2030.
- Um aus der NATO auszutreten, braucht es entgegen den Behauptungen der Transatlantiker keinen zusätzlichen Euro und keine Steuererhöhungen. Es kostet einmalig 35,5 Milliarden Euro, die allein durch Umschichtungen innerhalb des Haushalts finanziert werden können.
- Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands betrug 2024 4.305 Milliarden Euro.1 Ein Prozent sind hiernach 43 Milliarden, zwei Prozent 86 Milliarden usw. Der Verteidigungshaushalt beträgt 2025 52 Milliarden, und weitere 20 Milliarden werden aus dem Sondervermögen ausgegeben.2 Die Rufe nach einem deutschen Verteidigungshalt von 3,5 Prozent (Bündnis90/Die Grünen)3 oder gar 5 Prozent (Donald Trump)4 sind – vorsichtig ausgedrückt – unverständlich: Was will man von 150 Milliarden oder 215 Milliarden kaufen? Woher sollen die Soldaten kommen, die man damit bezahlen will?
- Bei militärischen Themen gilt in Deutschland Ignoranz als Tugend. Wer aber die NATO ablehnt und für diesen Standpunkt eine demokratische Mehrheit gewinnen will, muss eine exakt durchkalkulierte Alternative anbieten. Alternativen gibt es nämlich. Wie sie aussehen und was sie kosten, führen wir auf dieser Seite vor.
Der heiligste Glaubenssatz
Seit 1949 wird die NATO von dem Narrativ zusammengehalten, ohne den Schutz amerikanischer Atomwaffen seien die europäischen Staaten verloren. Dass dies falsch ist, erkannte kein Geringerer als Charles de Gaulle. Seine Überlegung war simpel: Wenn die Sowjetunion Europa überfällt und dabei Atomwaffen einsetzt, ist dies für die Vereinigten Staaten noch lange kein Grund, sich auf einen atomaren Schlagabtausch mit der Sowjetunion einzulassen und damit die völlige Zerstörung ihres eigenen Landes zu riskieren. Dass de Gaulle damit richtig lag, bestätigte wenige Jahre später der berühmte Satz Henry Kissingers: Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.

General Charles de Gaulle 1942

Präsident Charles de Gaulle 1963
De Gaulle zog aus alldem die Konsequenz, die französischen Truppen aus den NATO-Strukturen herauszuziehen und Frankreich selbst Atommacht werden zu lassen. De Gaulles Verteidigungsdoktrin lautete ab 1966: Frankreich muss in der Lage sein, sich nach allen Seiten selbst zu verteidigen. Praktisch kam dies einem NATO-Austritt gleich. Auf einen formalen NATO-Austritt wollte es de Gaulle indes nicht ankommen lassen, um die Vereinigten Staaten nicht noch mehr zu verärgern, denn das kann gefährlich sein:
Gefährliche Freundschaft
In rechtlicher Hinsicht ist ein NATO-Austritt für die Bundesrepublik Deutschland nicht schwieriger als für andere Mitgliedsstaaten: Ein Brief an die amerikanische Regierung genügt. Abgesehen von Frankreich, Großbritannien, Polen und der Türkei würden allerdings alle europäischen NATO-Staaten anschließend vor denselben Problemen stehen: Für keinen wäre es einfach, seine Verteidigung selbst zu organisieren, vor allem nicht für die vielen kleinen Staaten Süd- und Osteuropas, die zwischen 1991 und 2000 entstanden sind. Den meisten von ihnen fehlt zugleich auch eine eigene Rüstungsindustrie, weshalb sie sich auf amerikanische Waffenlieferungen verlassen müssen (oder wollen, denn in Europa lassen sich sehr ähnliche Waffen einkaufen).
Hier liegt der Pragmatismus: Die NATO bietet den Komfort, dass man sich verteidigungspolitisch nicht um viel kümmern muss. Diese Bequemlichkeit hat allerdings ihren Preis: Freundschaft mit den Vereinigten Staaten, auch wenn Freundschaft in diesem Zusammenhang ein purer Euphemismus ist. Eine Freundschaft mit den Vereinigten Staaten ist zwar stets von äußerlicher Herzlichkeit geprägt, aber es ist keine Freundschaft auf Augenhöhe. Der Freundschaftsschwur gleicht eher dem Treueid eines Vasallen, die amerikanische Außenpolitik gehorsam zu unterstützen, und dies ohne Rücksicht auf eigene oder wenigstens europäische Interessen. Deshalb hat die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten am Ende einen sehr hohen Preis, was Kissinger ebenso unverblümt zugab:
Es kann gefährlich sein, Amerikas Feind zu sein.
Aber Amerikas Freund zu sein, ist verhängnisvoll.
Diese Art herzlicher Offenheit kann man sich nur leisten, wenn man sich ganz sicher ist, dass der Rest nichts zu sagen hat.

Henry Kissinger, Foto: US Departement of State
Unsere Thesen dazu:
- Die Mitgliedschaft in der NATO bringt Deutschland und seine Bewohner in Gefahr statt in Sicherheit. Die maßgebliche Infrastruktur der NATO liegt konzentriert auf deutschem Staatsgebiet. In einem Krieg trägt Deutschland das größte Risiko, die Vereinigten Staaten das kleinste.
- Der atomare Schutzschirm, den die Vereinigten Staaten seit 1949 angeblich über Europa aufgespannt haben, existiert in Wirklichkeit nicht. Amerikanische Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden erhöhen das deutsche Risiko, aus einem Krieg als völlig zerstörtes Land hervorzugehen, zusätzlich.
- Die NATO ist ein gut organisierter Absatzmarkt für die Produkte der amerikanischen Rüstungsindustrie, die davon profitiert, dass die kleinen Staaten Europas über keine eigene Rüstungsindustrie verfügen. Deshalb sind die Vereinigten Staaten daran interessiert, dass es in Europa möglichst viele kleine Staaten als Kunden ihrer Rüstungsindustrie gibt.
- Kleine Staaten sind militärisch im Grunde hilflos. Deshalb waren die Vereinigten Staaten zwischen 1990 und 2000 daran interessiert, dass sich in Europa die großen Flächenstaaten auflösen, die nach dem 1. Weltkrieg entstanden waren, und an ihre Stelle kleine Staaten treten, denen sie sich als Schutzmacht empfehlen können.
Deutsche Naivität
Die Bundesrepublik Deutschland nimmt unter allen NATO-Mitgliedern eine Sonderstellung ein: Seit 1956 war die Bundeswehr nie dazu da, die Verteidigung des deutschen Staatsgebiets nach deutschen Vorstellungen zu organisieren, obwohl sich dies in Artikel 87a Absatz 1 des Grundgesetzes eigentlich so anhört: Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
In Wirklichkeit war die Bundeswehr seit jeher ausschließlich als Beitrag zur NATO als größerem Ganzen gedacht. Ein deutscher Oberbefehlshaber kommt im Programm der Bundeswehr gar nicht erst vor, denn im Verteidigungsfall wird sie letztlich von einem amerikanischen General geführt. Der ranghöchste deutsche Soldat wird deshalb auch nicht, wie in allen anderen Staaten, als Oberbefehlshaber bezeichnet, sondern als Generalinspekteur: Er hat lediglich darüber zu wachen, dass die deutschen Truppen nach den Vorgaben der NATO ausgerüstet, ausgebildet und organisiert sind. Sonst hat er nichts zu sagen.
Auch bei dem geläufigen, in einem Atemzug ausgesprochenen politischen Doppelbegriff Landes- und Bündnisverteidigung muss man genau hinhören: Gemeint ist damit nämlich, dass eine Landesverteidigung allenfalls im Rahmen der NATO stattfindet; der unausgesprochene Umkehrschluss lautet: sonst aber nicht.
Unsere Thesen dazu:
- Die Bundesrepublik hat heute lediglich die Aufgabe, der NATO Truppen zu stellen. Den Bund verteidigen muss die Bundeswehr nicht können. Sie ist ein von der NATO gefordertes Truppenkontingent, das NATO-Vorgaben entsprechen muss. Mehr ist sie nicht.
- Die Bundeswehr konnte und kann auch nie nach deutschem Gutdünken eingesetzt werden, sondern ausschließlich nach dem Gutdünken der NATO, in der nicht zufällig die Vereinigten Staaten das Sagen haben.
Rhetorik: Zeitenwende
Daran ändert auch das große Wort Zeitenwende nichts, das in seinem Pathos fast kitschig klingt. Dieselben naiven Gemüter glauben, die Bundeswehr würde in dieser Zeitenwende mit viel Geld in die Lage versetzt, das Land zu verteidigen. Das ist gleich der nächste Irrtum:

Olaf Scholz, der Verkünder der Zeitenwende, Foto gemeinfrei
Wenn der letzte Cent des Sondervermögens ausgegeben ist, wird die Bundeswehr zwar über viele beeindruckende Dinge verfügen, mit denen sich amerikanische Interessen auf der ganzen Welt hervorragend unterstützen lassen, zum Beispiel gegen China. Dafür scheinen beispielsweise die geplanten Fregatten der Klasse F-127 gedacht zu sein. Für die Landesverteidigung (diesmal bewusst ohne Bündnisverteidigung) sind diese Dinge aber so überflüssig wie ein Smoking im Kleiderschrank eines Bürgergeldempfängers.
Viel Geld wird bis dahin auch nach Israel geflossen sein. Auch die dort bestellten Waffen sind technologisch zweifellos brillant, aber unter europäischen Verhältnissen nutzlos, weil es in Europa weit und breit nichts gibt, was man mit ihnen bekämpfen könnte. Frech, aber keineswegs unvertretbar ist die Ansicht, dass es bei den Einkäufen in Israel eher darum geht, der israelischen Rüstungsindustrie zu guten Geschäften zu verhelfen, aber nicht um die Landesverteidigung.
Unsere Thesen dazu:
- Die Zeitenwende ist eine leere Worthülse. Sie rechtfertigt lediglich eine Einkaufstour, vor allem in den Vereinigten Staaten und Israel.
- Der Fähigkeit zur Verteidigung des eigenen Landes wird die Bundeswehr am Ende ihrer Einkaufstour keinen Schritt nähergekommen sein. Das ist aber auch nicht der Sinn der Sache.
Rhetorik: Kriegstüchtigkeit
Um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht es nicht. Deshalb spricht Verteidigungsminister Boris Pistorius auch von Kriegstüchtigkeit und nicht von Verteidigungsfähigkeit. Die bereits bedauerten naiven Gemüter werden auch hier wieder hinters Licht geführt: Sie meinen, Kriegstüchtigkeit sei viel mehr als Verteidigungsfähigkeit. Es ist aber umgekehrt: Um verteidigungsfähig zu werden, bedarf es deutlich mehr, als der Bundeswehr zugedacht ist. Um kriegstüchtig zu werden, genügt es, der NATO einfach das Truppenkontingent zu geben, das sie für ihre Kriege verlangt. Dieser Tribut an die NATO macht aber viel weniger aus als der Bedarf für eine eigene Landesverteidigung.

Boris Pistorius, Foto: Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0, Boris Pistorius 2023 a.jpg
Logische Gegenprobe: Wäre die Bundeswehr selbst verteidigungsfähig, könnte die Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland nicht mehr gerechtfertigt werden. Auf diese gönnerhafte amerikanische Hilfe gründet sich aber das amerikanische Mitspracherecht in Europa, das allerdings faktisch eher auf ein amerikanisches Alleinentscheidungsrecht hinausläuft, zumindest außenpolitisch.
Unsere Thesen dazu:
- Die Aufrüstung der Bundeswehr ist dazu gedacht, dass sie ab 2028 – freilich nur als Truppenkontingent – in der Lage sein muss, an einem Krieg der NATO gegen Russland teilzunehmen.
- An einer aus sich heraus verteidigungsfähigen Bundeswehr sind die Vereinigten Staaten nicht interessiert. Sonst wäre die Stationierung der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland nach der Wiedervereinigung nicht mehr zu rechtfertigen, aus der sie ihr Mitspracherecht in Europa ableiten. Daher sind Defizite der Bundeswehr politisch insgeheim erwünscht.
Ohnmächtiges Europa
Solange die europäischen Staaten außenpolitisch unter amerikanischer Vormundschaft stehen, kann die Europäische Union im Spiel der Weltpolitik keinerlei Bedeutung erlangen. Es ist aber gerade der Sinn der Europäischen Union, weltweit europäische Interessen zu vertreten, und zwar nicht nur gegenüber Mächten wie Russland, Indien oder China, sondern auch gegenüber den Vereinigten Staaten, weil die einzelnen Mitgliedsstaaten auf sich allein gestellt dazu nicht in der Lage sind.
Unsere These dazu:
- Zugleich für die Mitgliedschaft in der NATO und für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union einzutreten, ist deshalb ein unauflösbarer Widerspruch. Die Politiker der meisten Parteien ignorieren ihn geflissentlich.
Das immer gleiche Narrativ
Diese Ignoranz beruht auf dem neuerdings wieder – wie schon einst im Kalten Krieg – Tag für Tag von allen Medien eingehämmerten Narrativ, Russland bedrohe Europa, und ohne Unterstützung der Vereinigten Staaten könne Europa seine Werte, seine Demokratie, seinen Wohlstand und seine Freiheit unmöglich gegen Russland verteidigen. Die meisten Menschen, die diese Botschaft Tag für Tag in allen Medien hören und lesen, bekommen Angst, und nichts wirkt gegen Vernunft besser als Angst.

Russischer Machthaber Wladimir Putin, Kremlin.ru, CC BY 4.0, Vladimir Putin (2022-09-21).png
Chancenlose Mathematik
In nichts wiederum drückt sich kühle Vernunft besser aus als in Mathematik. Angst und Mathematik waren immer schon die Gegensätze schlechthin. Wir erinnern uns an die Schule: Die Angst vor der Mathearbeit garantierte stets die Fünf in der Mathearbeit, weil ein Mensch in Panik nicht mehr klar denken und daher nur Unsinn zu Papier bringen kann. Exakt nach diesem Prinzip funktioniert der Trick des NATO-Narrativs:
Dem eingehämmerten Narrativ liegt die mathematische Aussage zugrunde,
- 448 Millionen Europäer mit einem Bruttoinlandsprodukt von 20.000 Milliarden Dollar
seien ohne amerikanische Hilfe unmöglich in der Lage, ihre Verteidigung gegen
- 143 Millionen Russen mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2.200 Milliarden Dollar
selbst zu organisieren. Die mathematische Frage lautet: Ist die Aussage wahr oder unwahr?
Unsere Thesen dazu:
- Da 448.000.000 > 143.000.000 und 20.000 > 2.200 sind, ist die Aussage natürlich unwahr.
- Den Erfindern des Narrativ ist dies aber einerlei, denn sie kennen die Menschen gut und wissen daher: Verängstigte Kreaturen lassen sich von Mathematik nicht ermutigen, nicht einmal dann, wenn die Zahlen glasklar und kinderleicht zu erfassen sind.
- Weil Angst aber schon im Sprichwort – und erst recht nach Auffassung der früheren Bundeskanzlerin Merkel5 – ein schlechter Ratgeber ist, sollte man es aber vielleicht doch einmal mit Zahlen versuchen (und um Zahlen geht es in allen Teilen dieser Seite).
Das große Ganze
Das Thema Verteidigungspolitik steckt nicht nur, wie zu sehen war, voller Missverständnisse, sondern es ist selbst nur ein einzelner Teil eines viel größer angelegten, klug ausgedachten machtpolitischen Konzepts, das von der Öffentlichkeit kaum erkannt und schon gar nicht verstanden wird.
- Zum großen Ganzen gehört beispielsweise die Entwicklungspolitik. Dies mag überraschen, denn fast niemand weiß mehr, dass Entwicklungshilfe für Staaten des globalen Südens keineswegs aus humanitären Motiven geleistet wird, sondern 1949 von der NATO als machtpolitisches Instrument erfunden wurde, um die damals in die Unabhängigkeit aufbrechenden neuen Staaten auf die richtige Seite zu ziehen.
- Ein weiterer Bestandteil ist die globale Geldpolitik, deren verhängnisvolle Grundzüge von den Vereinigten Staaten bereits 1944 dem durch den damals noch andauernden 2. Weltkrieg geschwächten Rest der Welt im amerikanischen Ski-Ort Bretton Woods übergeholfen wurden.
- Sogar humanitäre Ideale werden machtpolitisch instrumentalisiert, um vermeintlich Gute als Verbündete gegen vermeintlich Böse hinter sich zu bringen, und die Guten müssen sich stets gegenseitig beaufsichtigen, ob nicht vielleicht einem ein disqualifizierender Fauxpas unterläuft, im Kleinen etwa eine Diskriminierung, im Großen womöglich die Lieferung von Klopapier an einen sanktionierten Schurkenstaat.
Derlei Teile des großen Ganzen gibt es noch etliche. Man muss jedoch alle Teile kennen und die Wirkweise des machtpolitischen Zusammenspiels verstehen. Plötzlich leuchtet ein, warum
- China als mittlerweile größte Wirtschaftsmacht der Erde Jahr für Jahr Entwicklungshilfe aus Deutschland erhält,
- deutsche Goldreserven fern von den Zugriffsmöglichkeiten der Bundesbank in den Vereinigten Staaten eingelagert werden oder
- immer mehr von Naturkatastrophen heimgesuchte und medizinisch schlecht versorgte Staaten ihnen angebotene humanitäre Hilfe beharrlich ablehnen.
Unsere These dazu:
- Verteidigungspolitische Themen für sich allein zu betrachten ohne das große Ganze zu verstehen, führt in die Sackgasse – und zur Niederlage in der öffentlichen Debatte. Solche Rückschläge können wir uns aber nicht mehr leisten, denn der Krieg rückt unaufhaltsam immer näher an Europa heran.
Ziel des Spiels
Im Grunde geht es bei allen Zügen auf dem politischen Schachbrett nur um ein einziges Ziel: Die Vereinigten Staaten streben eine unipolare Weltordnung an, in der sie die weltweit anerkannte einzige Führungsmacht sind und sich alle übrigen Staaten allein auf Washington ausrichten müssen.
Einer der bedeutendsten Vordenker dieser Politik, Zbigniew Brzeziński, entwickelte in seinem Buch The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives (deutscher Titel: Die einzige Weltmacht) sehr klare Vorstellungen, wie das amerikanische Weltimperium entstehen und organisiert sein soll. Das Buch kam nicht zufällig 1997 heraus, denn in den Jahren nach dem Kalten Krieg sah es tatsächlich danach aus, als könnte die amerikanische One-World-Vision endlich Wirklichkeit werden.
Zbigniew Brzeziński oder Henry Kissinger sind keineswegs die Vordenker der Idee vom amerikanischen Weltimperium. Die Idee ist viele Jahrzehnte älter. 1944 und 1945 hatte es die erste realistische Chance zu ihrer Umsetzung gegeben. Dazu wurden innerhalb ganz weniger Jahre der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Vereinten Nationen und die Atombombe erfunden, und dies keineswegs zufällig.

Zbigniew Brzeziński 2014, Foto: Tobias Kleinschmidt, MSC 2014 Brzezinski Kleinschmidt MSC2014.jpg
Nicht in allen Staaten – im Grunde in den wenigsten – stößt der amerikanische Wunsch nach weltweiter Vorherrschaft auf Zustimmung. Die anderen großen Mächte – Russland, Indien, China und Brasilien – vertreten die Auffassung, die Welt sei von Natur aus multipolar angelegt und müsse deshalb auch multipolar bleiben. Wegen dieser Meinungsverschiedenheit wurden seit 1991 zahlreiche Kriege geführt, die erst Jugoslawien, dann Vorder- und Mittelasien und schließlich Nordafrika ins Chaos stürzten. Bei keinem dieser Kriege können die amerikanischen Interessen übersehen werden, die hinter ihrem Ausbruch standen und stehen.
Auch wenn nach und nach auch die Bundesrepublik und die Bundeswehr in diese Kriege hineingezogen wurden, interessierten sich die deutschen Medienkonsumenten nicht sehr für sie, denn – abgesehen von ihrem einst geschätzten Urlaubsland Jugoslawien – lagen die Kriegsschauplätze in fernen Weltgegenden, für die sich selbst die reisefreudigen deutschen Urlauber nicht interessieren. Seit 2014 rücken die Kriegsereignisse allerdings geografisch näher, und gerade die Ängstlichen sollten sich spätestens in dieser Lage überlegen, ob sie wirklich den Vereinigten Staaten in den Krieg folgen oder ihnen vielleicht besser die Gefolgschaft verweigern und aus der NATO austreten sollten.
Risiken und Nebenwirkungen
Für durchschnittliche TikTok-Nutzer, die sich höchstens 180 Sekunden auf ein Thema konzentrieren können, eignet sich diese Seite nicht: Was man wissen muss, um sich in die Debatte um den NATO-Austritt einbringen zu können, ist umfangreich. Einzelthemen herauszupicken, trägt zum Gesamtverständnis nicht bei, sondern führt zu falschen Schlüssen. Uns ist auch bewusst, dass wir uns mit dieser Seite in jeder Hinsicht auf eine Gratwanderung begeben:
- Wir bereiten den Stoff so knapp und so übersichtlich wie möglich auf und haben dabei im Blick, dass die meisten Leser keine Volkswirte, keine Politologen, keine Juristen und keine Militärs sind. Noch bevor diese Seite am Netz ist, können wir es schon hören: In Wirklichkeit sei alles viel komplexer als es hier dargestellt wird. So ist es nicht. Die Dinge sind freilich komplex. Die Kunst besteht darin, sie mit wenigen Sätzen richtig und vollständig zu beschreiben. Dazu gehört auch die Kunst der Straffung, somit des Weglassens von allem, was zum Verständnis nicht unbedingt erforderlich ist.
- Militärs werden unsere Sprache missbilligen, sie sei unprofessionell. Indes fordern wir hier auch solche Leser zur Meinungsbildung heraus, die nicht wissen, womit sich beispielsweise ein Kompaniefeldwebel Tag für Tag beschäftigt. Den drei Damen, die in den letzten Jahren das Verteidigungsministerium führen durften, werden derlei Dinge zwar gleichfalls unbekannt geblieben sein, doch werden sie hier immerhin so weit erklärt, wie dies zum Verständnis der militärischen Materie erforderlich ist.
- Hinter jedem Kapitel stehen Quellenabgaben. Bevorzugt haben wir Quellen aus Publikationen unserer mutmaßlichen Kritiker. Sollten wir hier Fake News verbreiten, hätten wir sie von ihnen übernommen. Die Quellen weisen allerdings nicht nur auf Zitate hin, sondern auf Stellen, wo man bei Bedarf weiterlesen kann. Oder kürzer: Die Quellen ersetzen oft den zur Straffung weggelassenen Text.
- Für fast schon allgemein bekannte Tatsachen zitieren wir hier – im Ernst – Wikipedia. Dies ist freilich vollkommen unwissenschaftlich, aber hier geht es nicht nur um Wissenschaft, sondern zugleich um politische Meinungsbildung. Um die Wirklichkeit zu erfassen, braucht man bei manchen Themen nur Wikipedia-Beiträge nebeneinanderzulegen, um zu begreifen, dass es in der Wirklichkeit anders zugeht, als die gängigen Narrative glauben lassen wollen.
Bewusst ist uns auch, dass wir uns an vielen Stellen weiter aus dem Fenster lehnen als die Meinungskorridore breit sind. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass sämtliche Fakten-Checker, deutsche Ableger amerikanischer Think Tanks sowie die Stiftungen vermögender Philanthropen über uns herfallen werden und uns Fake News, Verschwörungstheorien oder gar eine Finanzierung mit Putin-Geld nachsagen. Putin-Geld würde bei uns zwar manches Problem lösen, fließt aber bedauerlicherweise nicht. Skrupellos genug, es einzustecken, wären wir durchaus.
Quellen und weiterführende Hinweise (letzter Abruf 3. März 2025):
1 de.statista.com/statistik/daten/studie/1251/umfrage/entwicklung-des-bruttoinlandsprodukts-seit-dem-jahr-1991.
2 bmvg.de/de/themen/verteidigungshaushalt.
3 tagesschau.de/inland/bundestagswahl/parteien/habeck-verteidigungsausgaben-100.html.
4 spiegel.de/politik/deutschland/verteidigungsausgaben-friedrich-merz-will-zwei-prozent-des-bip-fuer-ruestung-ausgeben-a-6625d878-
cf0a-4e01-aa61-2757c70cb56b.
5 Zur Angst vor dem Islam: welt.de/politik/deutschland/article146183441/Merkels-deutliche-Botschaft-an-alle-besorgten-Buerger.html,
zur Angst vor Terrorismus. diepresse.com/5059284/angela-merkel-angst-darf-nicht-unser-ratgeber-sein,
zur Angst vor dem Corona-Virus: zdf.de/politik/berlin-direkt/corona-angst-merkel-100.html.